Dienstag, 10. Februar 2009

Neue Gene erklären den Herzinfarkt

Die bei manchen Herzinfarkt-Patienten beobachtete positive Familienanamnese kann vielfältige genetische Ursachen haben, die mit drei Genen in Verbindung stehen, wie eine Publikation in Nature Genetics zeigt – mit neuen Einsichten in die Pathogenese, aber wenig Aussichten auf einen auf breiter Ebene anwendbaren Gentest.

Neben den „traditionellen“ Risikofaktoren wie Alter, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Rauchen und Übergewicht gibt es auch eine genetische Prädisposition auf den Herzinfarkt. Sie ist häufig bei Patienten vorhanden, die in relativ jungem Alter (Männer unter 50, Frauen unter 60 Jahre) erkranken und bei denen häufig mehrere Familienmitglieder betroffen sind.

Die dafür verantwortlichen Gene versuchen Genforscher in sogenannten genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) aufzuspüren. Dabei werden die Gene von betroffenen Personen, hier Menschen mit frühem Herzinfarkt, und Gesunden verglichen.

Die Suche konzentriert sich auf eine steigende Zahl von bekannten Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphism, SNP), deren Varianten sich manchmal bestimmten Krankheiten zuordnen lassen.

Eine erste Variante (PCSK9) wurde bereits 2003 entdeckt. Das Gen spielt eine Rolle im Cholesterinstoffwechsel. Mutationen gehen mit einer familiären Hypercholesterinämie einher. Eine Reihe weiterer Risikogene wurde vor zwei Jahren von einem internationalen Forscherteam um Heribert Schunkert von der Universität Lübeck beschrieben (NEJM 2007; 357: 443-53).

Die jüngste Studie des Myocardial Infarction Genetics Consortium steigert die Zahl der Herzinfarktgene auf neun, darunter drei bisher nicht bekannte Gene auf den Chromosomen 2, 6 und 21 (Nature Genetics 2009; doi:10.1038/ng.327). Für die aktuelle Untersuchung hatte die Gruppe um Sekar Kathiresan vom Massachusetts General Hospital in Boston die Gene von 26.000 Patienten aus zehn Ländern analysieren lassen.

Sie hatte dabei nicht nur nach SNP, sondern auch nach sogenannten CNVs gesucht. Das sind Veränderungen in der Zahl der Kopien (copy number variants, CNV), in der einzelne Gene auf dem Chromosom vorhanden sind.

Frühere Untersuchungen hatten Unterschiede in den CNV mit anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Als Auslöser eines Herzinfarktes kommen CNV, zumindest nach der aktuellen Studie, jedoch nicht infrage.

Dagegen scheinen Kombinationen aus benachbarten SNP eine Rolle zu spielen. Einen solchen „Cluster“ haben David-Alexandre Trégouët vom französischen Forschungsinstitut INSERM in Paris und Mitarbeiter auf dem Chromosom 6 identifiziert. Dort ist das LPA-Gen lokalisiert.

Es reguliert die Konzentration des Lipoproteins (a) im Blut. Das ist eines der Transportmoleküle für das Cholesterin und als solches ein unabhängiger Risikofaktor für den Herzinfarkt (Nature Genetics 2009; doi:10.1038/ng.314).

Zwei weitere Risikogene hat die Gruppe um Jeanette Erdmann von der Universität Lübeck entdeckt (Nature Genetics 2009; doi: 10.1038/ng.307n press). Es handelt sich zum einen um eine Variante im MRAS-Gen auf dem Chromosom 3, das möglicherweise eine Rolle in der Gefäßbiologie spielt. Das HNF1A-Gen auf dem Chromosom 12 soll dagegen eine enge Beziehung zum Cholesterinstoffwechsel haben.

Die entdeckten Gene bieten in erster Linie neue Einblicke in die Pathogenese des Herzinfarkts beziehungsweise sie bestätigen die bekannten Risikokonstellationen. Dies könnte möglicherweise zum Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente werden.
Als Grundlage für einen Gentest zur Bestimmung des individuellen Krankheitsrisikos dürften sie nur in begründeten Ausnahmefällen infrage kommen, wie Erdmann in einem Video zur früheren Publikation ausführt.

Sie erwähnt das Beispiel einer jüngeren Patientin mit häufigen Herzinfarkten junger Menschen im Stammbaum. Für ein allgemeines Bevölkerungsscreening gebe es derzeit keinen Anlass, sagte die Expertin damals, woran sich auch jetzt nichts ändern dürfte.

© rme/aerzteblatt.de


» Abstract der Studie des Myocardial Infarction Genetics Consortiums http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.327.html

» Abstract der Studie Trégouët et al. http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.314.html

» Abstract der Studie Erdmann et al. http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.307.html

» Pressemitteilung des Massachusetts General Hospital http://www.eurekalert.org/pub_releases/2009-02/mgh-isi020509.php

» Pressemitteilung der Universität Lübeck http://idw-online.de/pages/de/news299766

» Pressevideo des Cardiogenics Project (zu einer früheren Publikation) http://www.cardiogenics.eu/web/press.html

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