Mittwoch, 24. Februar 2010

Forscher finden eine genetische Ursache für Leukämien

Eine Genmutation bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) ist für die Hälfte der bislang nicht erklärbaren Fälle dieser Leukämien verantwortlich. Durch eine Mutation der Gene für das Enzym Isocitrat-Dehydrogenase 1 und 2 (IDH) erhöht sich die Konzentration des Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2HG) und verursacht so die AML. Diese Zusammenhänge entdeckten Forscher um Craig Thompson von der Universität Pennsylvania. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Cancer Cell (10.1016/j.ccr.2010.01.020).

"Die molekulare Biologie der Leukämie ist in den letzten 20 Jahren studiert worden, und wir dachten, dass wir die meisten allgemeinen Gene für Leukämien gefunden hätten", kommentierte Thompson. Jetzt sei klar, dass ein neuer Mutationstyp für die Hälfte der restlichen Leukämien verantwortlich sei, für die die Ursache bislang unbekannt war. Diese Mutation trete auch bei etwa einem Drittel der Leukämien von älteren Patienten auf.

Indem die Wissenschaftler Gewebeproben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie untersuchten, fanden sie heraus, dass AML-Patienten eine erhöhte Konzentration von 2HG aufweisen. Die erhöhten Konzentrationen von 2HG stammen aus einer Veränderung in einem von zwei metabolischen Enzymen, IDH1 oder IDH2.



* Abstract http://www.cell.com/cancer-cell/abstract/S1535-6108%2810%2900036-X
* University of Pennsylvania http://www.med.upenn.edu/

Die Forscher entdeckten, dass IDH1- und IDH2-Veränderungen in mehr als 23 Prozent der studierten AML-Patienten beobachtet werden konnten. Eine gemeinsame Eigenschaft von tumorassoziierten IDH-Mutationen ist die gesteigerte Produktion von 2HG. Die Wissenschaftler erklären sich den Zusammenhang zwischen der erhöhten 2HG-Konzentration und dem Auftreten der AML dadurch, dass eine erhöhte 2HG-Konzentration möglicherweise die Fähigkeit der leukämischen Zellen blockieren könnte, sich in normale Blutzellen umzuwandeln.

"Wenn wir im Stande sind, Tumore bei der 2HG-Erzeugung zu blockieren, wären wir vielleicht in der Lage, die Leukämie der Patienten zu heilen", sagte Thompson.

© hil/aerzteblatt.de

Dienstag, 2. Februar 2010

Suizid-Gen gefunden - mit Studienbericht

Einige Varianten im Gen für den Rezeptor eines „Nervennährstoffes“ machen Menschen anfällig für Suizide. Die Genträger sind einer Publikation in den Archives of General Psychiatry ( 2010; doi: 10.1001/archgenpsychiatry.2009.201) zufolge auch dann gefährdet, wenn sie nicht unter Depressionen leiden.

Suizide haben vielschichtige Ursachen. Neben Lebenskrisen und psychiatrischen Erkrankungen haben auch genetische Faktoren einen Einfluss darauf, ob ein Mensch in einer für ihn unerträglichen Situation den Ausweg über einen Freitod sucht oder nicht.

Das legen Zwillings- und Familienstudien nahe, wie Martin Kohli und Kollegen des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie berichten. Bei der Suche nach den verantwortlichen Genen konzentrierten sich die Forscher auf den Nervennährstoff BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) und seinen Rezeptor NTRK2 (Tyrosin Kinase 2 Rezeptor). Frühere Studien hatten nämlich ergeben, dass dieser Signalweg im Gehirn von Suizidopfern häufig vermindert aktiv ist.

Um herauszufinden, ob es hierfür genetische Gründe gibt, verglichen die Forscher die Gene von BDNF und NTRK2 bei 366 gesunden Menschen und bei 394 Patienten mit Depressionen, von denen 133 einen Suizidversuch unternommen hatten. Der Vergleich beschränkte sich auf 83 sogenannten SNP (single-nucleotide polymorphisms).


* PDF der Studie http://archpsyc.ama-assn.org/cgi/reprint/2009.201v1.pdf


Das sind Genorte, in denen es häufiger zu einem Wechsel der Basenpaare kommt. Während im BDNF-Gen keine signifikanten Unterschiede entdeckt werden konnten, wurden im NTRK2-Gen gleich drei Genvarianten identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko zum Suizidversuch assoziiert sind. Tatsächlich steigt bei Depressiven das Risiko zum Suizidverhalten um das 4,5-Fache an, wenn alle drei ungünstigen Genvarianten zusammen wirken.

Die Ergebnisse konnten durch den Vergleich einer deutschen Gruppe aus 744 Patienten mit Major-Depression und einer Kontrollgruppe aus 921 gesunden Personen afroamerikanischer Herkunft bestätigt werden. Auch hier hatten Menschen mit bestimmten SNP ein erhöhtes Suizidrisiko.

Interessanterweise war die Assoziation unabhängig von der Depressionserkrankung. Die SNPs sind also nicht der Grund für die Gemütsstörung, die einer der häufigsten Auslöser von Suiziden ist: Fast ein Drittel der Patienten mit Depression unternehmen irgendwann einen Suizidversuch. Es kommt ein zweiter Faktor hinzu, der das Suizidverhalten bestimmt und genetisch bedingt ist. In welcher Weise der Rezeptor NTRK2 die Entscheidung zum Suizid beeinflusst, ist völlig unklar. NTRK2 ist allerdings nicht nur die Bindungsstelle von BDNF, sondern einer ganzen Reihe von Nervennährstoffen.

Kohli vermutet eine wichtige Funktion von NTRK2 in der „Netzwerkbildung von Nervenzellen und somit zur geordneten neuronalen Kommunikation“. Vorstellbar ist beispielsweise, dass er die Belastbarkeit auf Stressreaktionen beeinflusst.

Genaueres müssen künftige Studien zeigen, für die durch die Entdeckung eine wichtige Grundlage gelegt wurde. Auch die Arzneimittelforschung dürfte sich für die Ergebnisse interessieren, da der Rezeptor sich als Angriffspunkt für neue Therapien anbietet. © rme/aerzteblatt.de