Samstag, 31. Januar 2009

Europaweite Mindeststandards bei Gendiagnostik gefordert

Die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament hat europaweite Mindeststandards in der Gendiagnostik gefordert. „Es gibt hier Probleme, die wir auf europäischer Ebene angehen müssen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende, der CDU-Abgeordnete Peter Liese, am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Dazu zählten die

Festlegung von Qualitätsstandards für die Tests und eine vorhergehende Beratungspflicht. Derzeit ist in Deutschland ein Gendiagnostikgesetz in der Erarbeitung, die abschließende Zweite und Dritte Lesung des Bundestages steht in einigen Wochen an.

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Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG), BT-Drucksache 16/10532, 13.10.2008 http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down.asp?typ=PDF&id=3113

Gen der Rolando-Epilepsie entdeckt

Die Rolando-Epilepsie, die häufigste Form der Epilepsie im Kindesalter, ist vermutlich Folge einer allgemeinen Entwicklungsstörung des Gehirns. Diesen Schluss legen die Ergebnisse einer internationalen Forschergruppe im European Journal of Human Genetics (2009; doi: 10.1038/ejhg.2008.267) nahe.

Die Rolando-Epilepsie beginnt im Alter von 3 bis 12 Jahren. Die Anfälle setzen typischerweise am Morgen kurz nach dem Aufwachen ein. Die Kinder klagen über eine Parästhesie der Lippe, der Zunge und des Gaumens. Es kommt zu einem perioralen Zucken und einem Verziehen der Lippen und Wangen. Im Anfall können die Kinder nicht schlucken oder sprechen. Es kommt zu starkem Speichelfluss.

Die Rolando-Epilepsie ist in aller Regel gutartig. Im Alter von 12 bis 14 Jahren sind praktisch alle Betroffenen mit und ohne Therapie anfallsfrei. Typisch für die Erkrankung sind zentrotemporale Spikes im EEG.

Wie viele andere Anfallsleiden hat die Rolando-Epilepsie eine starke genetische Komponente, was die Gruppe um Deb Pal von der Columbia Universität in New York zu einer sogenannten genomweiten Linkage-Studie veranlasste, welche zur Entdeckung eines Genorts auf dem Chromosom 11p13 führte.

Dort ist das Gen für den Elongator Protein Complex 4 (ELP4) lokalisiert. ELP4 gehört zu einer Gruppe von übergeordneten Genen, die das Ablesen anderer Gene beeinflussen (transcription regulator). Es wurde selbst noch nicht mit Erkrankungen beim Menschen in Verbindung gebracht, aber eine Reihe der untergeordneten Gene sind als mögliche Ursache von Epilepsien bekannt.

Die Assoziation mit ELP4 ist dennoch eine Überraschung. Eigentlich hatten die Forscher erwartet, auf ein Gen zu stoßen, das die Funktion eines bestimmten Ionenkanals stört, denn hierin wird gemeinhin die Ursache von Epilepsien vermutet.

Die jetzige Entdeckung zeigt, dass die Rolando-Epilepsie keine Erkrankung eines Ionenkanals ist, sondern eher eine Störung der neuronalen Verknüpfungen.

Dies könnte erklären, warum sich die Erkrankung bei den meisten Kindern auswächst. Wenn die Ergebnisse von anderen Studiengruppen bestätigt werden sollten, wird man im nächsten Schritt untersuchen, ob Kinder mit anderen verwandten Entwicklungsstörungen ähnliche genetische Störung haben.

Zu den Störungen gehören die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Sprachdyspraxien und entwicklungsbedingte Koordinationsstörungen. Bei diesen Kindern findet man häufig die gleichen EEG-Veränderungen wie bei der Rolando-Epilepsie und der Nachweis der gleichen Gendefekte würde natürlich die Vermutung verstärken, dass es sich um verwandte Erkrankungen handelt

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Abstract der Studie http://www.nature.com/ejhg/journal/vaop/ncurrent/abs/ejhg2008267a.html

Pressemitteilung der Columbia Universität http://www.cumc.columbia.edu/news/press_releases/090128_RolandicEpilepsy.html

DÄ-Artikel Epilepsie im Kindes- und Jugendalter http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=59870

Donnerstag, 29. Januar 2009

Gen erhöht Komplikationsrisiko nach Bypass-Operation

Patienten mit einer häufigen Genvariante müssen nach Bypassoperation länger auf der Intensivstation betreut werden. Dies berichten kanadische Forscher in Critical Care (Onlineausgabe).

Die Genvariante beeinflusst die Konzentration des Interleukins 18 (IL-18), dem Experten einen wesentlichen Einfluss auf Entzündungsreaktion nach Operationen zuschreiben. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass hohe IL-18-Konzentrationen häufig mit einem komplizierten postoperativen Verlauf verbunden sind.

Keith Walley von der Universität von British Columbia in Vancouver führt dies nun auf eine Punktmutation im IL18-Gen zurück. Träger des sogenannten TT-Genotyps im 9545 T/G Polymorphismus mussten dreimal häufiger länger als drei Tage auf der Intensivstation verbringen als Patienten mit den anderen Varianten TG oder GG.

Walley vermutet, dass der TT-Genotyp die Expression von IL-18 steigert und damit die post-operative Entzündungsreaktion verstärkt. Eine klinische Relevanz ergibt sich aus der Tatsache, dass 58 Prozent der untersuchten Patienten Träger TT-Genotyps waren, der damit eher die Regel, denn die Ausnahme ist.

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PDF der Studie http://ccforum.com/imedia/2945597102206208_article.pdf

Dienstag, 20. Januar 2009

Genvarianten: Indisches Herzschwäche-Gen gefunden

Einer von 25 Menschen im indischen Subkontinent ist Träger einer Genvariante, die in einem von fünf Fällen im späten Erwachsenenalter zum Herzversagen führt. Dies berichtet eine internationale Forschergruppe in Nature Genetics (2009; doi: 10.1038/ng.309).

Das Gen enthält die Information für das cardiac myosin binding protein C (MYBPC3). Es ist Bestandteil des Sarkomers, also des Kontraktionsapparats der Muskulatur. Die Mutation führt zum Ausfall von 25 Buchstaben des genetischen Codes.

Die Gruppe um Perundurai Dhandapany von der Madurai Kamaraj University in Madurai (im südindischen Staat Tamil Nadu) schätzt, dass die Deletion etwa 30.000 Jahre alt ist. Sie ist demnach älter als das kulturelle Kastensystem und deshalb über alle sozialen Grenzen hinaus in allen Stämmen und bei den Anhängern unterschiedlicher Religionen, die in Indien sehr auf eine Segregation achten, vertreten. Die hohe Prävalenz von 4 Prozent erklären die Forscher mit der Tatsache, dass die Kardiomyopathie sich erst im späten Erwachsenenalter manifestiert und deshalb keiner negativen Selektion ausgesetzt ist.

Träger des Gens haben ein siebenfach erhöhtes Risiko auf eine Kardiomyopathie. Das Lebenszeitrisiko wird mit 25 Prozent angegeben. Dies und die sehr hohe Verbreitung des Gens machen nach Ansicht der British Heart Foundation ein Screening unter den Briten südasiatischer Herkunft (neben Indien gehört dazu auch Pakistan und Sri Lanka) durchaus diskutabel. Es gebe aber derzeit noch keine Idee, wie den auf diese Weise entdeckten Personen geholfen werden könnte, erklärte ein Sprecher der Fachgesellschaft britischer Kardiologen.

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Donnerstag, 15. Januar 2009

Schmerz-Gen reguliert Gedächtnis und Gehirnalterung

Das Gen DREAM, das wesentlich an der Schmerzverarbeitung beteiligt ist, scheint auch großen Einfluss auf Lernen und Gedächtnis zu haben.

Dies fanden Forscher in Wien und Sevilla durch Studien an Mäusen heraus. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, die Entstehung der Alzheimer-Erkrankung zu erklären, und neue Ansatzpunkte für deren Therapie liefern.

Mit der Identifizierung des DREAM-Gens gelang einem Team der Universität Toronto im Jahr 2002 ein großer Wurf. Das entsprechende Protein, das durch Kalzium reguliert wird, erfüllt eine Schlüsselfunktion bei der Wahrnehmung der unterschiedlichsten Arten von Schmerz. Mäuse, denen das Gen fehlt, lassen deutlich eine stark reduzierte Schmerzempfindlichkeit erkennen, während sie ansonsten völlig normal erscheinen.

Die Forschungsarbeiten wurden im Labor von Josef Penninger durchgeführt, der heute das Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) in Wien leitet. Die Publikation, in der die Schmerzausschaltung bei Mäusen beschrieben wurde, erregte entsprechend großes Aufsehen (Cell 108 vom 11.1.2002). DREAM wurde in der Folge als "Master-Gen" der Schmerzwahrnehmung bezeichnet.

Ein Team um den Neurobiologen Ángel Manuel Carrión von der Universität Pablo de Olivade (Sevilla) nahm die DREAM-losen Mäuse nun genauer unter die Lupe. In Zusammenarbeit mit Josef Penninger wurden die Tiere zahlreichen neurologischen Tests unterzogen, in denen ihre Merkfähigkeit und Lernwilligkeit analysiert wurden. Das Ergebnis: ohne DREAM-Protein lernen Mäuse schneller und behalten Information länger. Und, besonders faszinierend: das Gehirn 18 Monate "alter" Mäuse erwies sich als ebenso leistungsfähig wie das von vergleichsweise jungen Tieren.

DREAM entpuppt sich damit als wichtiger Kandidat bei der Entstehung der Altersdemenz. Ein Zusammenhang mit der Entstehung von Morbus Alzheimer ist nicht unwahrscheinlich. Bereits Mitte 2008 wurden Studien veröffentlicht, die eine Entgleisung der Kalziumregulation als eigentliche Ursache der Alzheimer-Erkrankung nahe legen. Die bekannten Ansammlungen von Amyloid-Protein wären demnach ebenfalls als Folge des abnormen Kalziumstoffwechsels der Gehirnzellen zu interpretieren.

Auch das DREAM-Gen ist in seiner Aktivität von Kalzium abhängig.

Hier scheint sich also ein Kreis zu schließen, in dem DREAM eine Schlüsselposition einnimmt und über die Kalzium-Balance sowohl Schmerzwahrnehmung als auch Gedächtnisleistung und Gehirnalterung beeinflusst. Auf diesen Zusammenhang deuten auch Erfahrungen mit Schmerzpatienten hin, deren Merkfähigkeit deutlich reduziert ist.

"Die Ergebnisse dieser Studie sind überraschend und faszinierend", kommentiert Josef Penninger die Entdeckung. "Dass ein und dasselbe Gen Schmerz, Lernen und Altersmerkfähigkeit reguliert, ist von besonderem Interesse, da Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen leben müssen."

Die Arbeit "Lack of DREAM protein enhances learning and memory and slows brain aging" (Fontán-Lozano et al.) ist in der aktuellen Ausgabe des Journals Current Biology nachzulesen (Curr. Biol. 2009 Jan. 13, pp. 54-60).

IMBA

Das IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kombiniert Grundlagen-und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin. Interdisziplinär zusammengesetzte Forschergruppen bearbeiten funktionsgenetische Fragen, besonders in Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung. Ziel ist es, das erworbene Wissen in die Entwicklung innovativer Ansätze zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten einzubringen.

IMP- IMBA Research Center

Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), das 1988 von Boehringer Ingelheim gegründet wurde, und dem seit 2003 operativen Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) wurde eine enge Forschungskooperation vereinbart. Unter dem Namen "IMP-IMBA Research Center" greifen die beiden Institute auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen Bereich zu. Die beiden Institute beschäftigen insgesamt etwa 400 Mitarbeiter aus 30 Nationen und sind Mitglied des Campus Vienna Biocenter.

Prof. Josef Penninger

Link: http://www.imba.oeaw.ac.at/research/josef-penninger/